Säule A – Phänomene
Die sieben Teilprojekte der Säule A des Sonderforschungsbereiches eint das gemeinsame Ziel, die Phänomenologie von Heimat(en) signifikant zu erweitern sowie zugleich die Grenzen dessen zu eruieren, was mit Heimat bezeichnet werden kann. Anders als in den Säulen B und C, die in der Regel eine erkennbare, verfügbare oder ausformulierte Vorstellung von Heimat in ihrer praktisch-handlungsleitenden Anwendung oder künstlerisch-medialen Darstellung untersuchen, streben die Teilprojekte der Säule A an, Phänomene in Geschichte, Kultur und Religion als Phänomene der Heimat zu beschreiben und zu ordnen.
Dazu werden einerseits die Vorstellungen von Zugehörigkeit und Verbundenheit, die in der modelltheoretischen Matrix als Vorverständnisse von Heimat versammelt sind, zu Rate gezogen. Andererseits helfen die Dimensionen von Heimat(en), die in den Querschnittsbereichen auf ihre jeweilige Heimatvalenz geprüft werden, dabei, die Phänomene zu differenzieren und zu strukturieren.
Die Aufgabe der Teilprojekte der Säule A besteht darin, die oft diffusen, nur implizit aufscheinenden oder partiellen Modellierungen von Heimat(en)-Phänomenen, wie sie sich in oder an den historischen Gegenständen finden lassen, zu erkennen, zu sammeln und aufeinander zu beziehen: Das Modellsein der Untersuchungsgegenstände ist in diesem Rahmen und im Sinne Mahrs Inhalt eines auf spezifische epistemische Muster gründenden wissenschaftlichen Urteils. In diesem Rekurs auf epistemische Muster und der Betrachtung ihrer jeweiligen Ausformung im Gegenstand lassen sich Zusammenhänge und Differenzen erkennen zwischen weit auseinanderliegenden Epochen, zwischen Gattungen, die nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, und zwischen ganz unterschiedlichen medialen Formen. Da ein solches Verständnis von Heimat(en) als Modell gerade bei der Ähnlichkeitsbeziehung oder dem Modell als Abstraktion ansetzt, ist es sensibel für die Vielfalt und Komplexität von Kulturen, und es lassen sich auch Phänomene auffinden, die sich dem Blick zuvor entzogen haben. Mit der Frage nach einer Phänomenologie von Heimat gelingt es den Teilprojekten der Säule A, neu auf Forschungs-gegenstände zuzugreifen und neue Forschungsfragen zu erarbeiten.
Die Teilprojekte der Säule A leisten auf diese Weise zugleich einen signifikanten Beitrag zum gemeinsam diskutierten, dynamischen „Modell Heimat“ des Sonderforschungsbereiches, weil sie besonders nah an der Matrix von Zugehörigkeits- und Verbundenheits-Vorstellungen operieren. Sie helfen, unser Vorverständnis zu schärfen, vorbegriffliche Formationen von Heimat überhaupt als solche zu erkennen und eine Vorauswahl zu treffen, welche Phänomene auch nicht unter ‚Heimatverdacht‘ fallen. Zum Beispiel kommen Formen der Zugehörigkeit, die ohne eine (emotionale) Verbundenheit auskommen, nicht in Betracht. Dieser Vorbegriff kann sich im Laufe der Forschungen wieder verändern. Dennoch kann durch so eine Kriteriologie deutlich werden, die uns erlaubt, Rechenschaft darüber abzulegen, welche Arten der Auswahl wir getroffen haben.
Wie in den Säulen B und C richten die Teilprojekte der Säule A, die einen historischen Rahmen von der Antike bis in die Moderne spannen, ihren transkulturellen Blick über den europäischen Raum hinaus, in diesem Fall bis nach Asien hinein. Die große Spannweite der Perspektive ist dabei keineswegs beliebig, sondern greift zentrale Figuren, Motive und Chiffren von Zugehörigkeit auf, wie sie sich derzeit ermitteln lassen. Dabei erscheinen diese vorbewussten Modellierungen von Heimat(en) – ob in Erzählungen, Berichten, Liedern, Performanzen oder portablen Medien, um nur einige Beispiele zu nennen – oft als historische Vorläufer jener vielen Heimatmodellierungen, die die Moderne entscheidend prägen werden.